25 Rollen

2 Tage, bevor die Ausgangsbeschränkung in Bayern in Kraft getreten ist und noch niemand so recht wusste, wie die denn ausfallen wird, bin ich mit der Hexar RF durch das Dorf spaziert. So einigen ausgedehnten und richtigen Spaziergang hatte ich hier noch nie unternommen. Unbedingt wollte ich noch ein paar Frames fotografieren, bevor ich vielleicht für einige Zeit keine Chance mehr dazu haben würde. Nun kam alles nicht so dicke und ich konnte in den letzten Wochen immer wieder raus.

Olympus mju II + Kodak Gold 200

Meistens bin ich am Abend losgegangen, eine Stunde vor der Goldenen. Nach zwei, drei Spaziergängen wusste ich, wie das Licht an den meisten Orten funktioniert und versuchte, bekannte Routen, mit unbekannten zu verbinden. Einige Orte suchte ich immer wieder auf und manche Motive fanden ihren Weg auf einige Rollen. Ich begann auch mit Filmen, Belichtungen und Kameras zu experimentieren. Es war ein wunderbarer Lernprozess.

Nikon F90x + 24mm f2.8 D + Kodak Gold 200

Am Folgetage entwickelte ich die Filme selbst und fand so auch einen Fehler in meinem Prozess, den ich schon lange unbemerkt mitgeführt hatte. Man kann nach dem Entwickler ein Stoppbad einfügen, um die Leistungsfähigkeit des nachfolgenden Blix-Bades besser zu sichern. Irgendwas bringe ich damit aber durcheinander und es kommt zu Farbverschiebungen. Die Filmmaske ist auch deutlich blasser und weniger Orange. Erst, in dem ich mich kontinuierlich damit beschäftige, ist es mir aufgefallen.

Contax T2 + Kodak Gold 200

Ich habe auch gelernt, wie meine verschiedenen Kameras die Belichtung messen und worin sie sich hier unterscheiden. Nun weiß ich, wie ich Kodak Gold 200 und Color Plus 200 (ISO125 bei Sonne und 200 an bewölkten Tagen) am liebsten mag und dass ich Fuji C200 lieber etwas knapper belichte (ISO 160). Auch den Scan Prozess konnte ich optimieren. Letztendlich nutze ich weiterhin Nikon Scan 4.0, aber ich habe VueScan nun final verstanden (Tutorial folgt.)

Hexar RF + 35mm Nokton F1.4 II + Kodak Color Plus 200

Meine wichtigste Erkenntnis ist aber nicht technischer Natur. Wir sind durch visuelle Eindrücke aus den USA und anderen westlichen Ländern geprägt. Wir wollen keine Landstraßen in Brandenburg fotografieren, sondern uns an der Route 66 abarbeiten, als hätte es nicht schon mindestens „ein“ anderer vor uns getan. Ich mag die Arbeiten von Ian Howorth und er katapultiert den Betrachter gerne mal in die Vergangenheit und dabei fotografiert er vieles nur in UK. Manche Aufnahmen sind für Deutschland undenkbar schwierig, denn solche Motive und solche Ästhetik finden wir hierzulande nur sehr schwer. Lange habe ich damit gekämpft, mich davon frei zu machen, denn ich wollte ähnliches schaffen und fand es hier einfach nicht. Mir ist es nun aber gelungen, mich mehr auf den Ort einzulassen, an dem ich nunmal lebe. Es bedeutet nicht, dass hier nichts zu finden wäre. Man findet viel, aber es ist etwas anderes, was man findet und das muss man sehen und lieben lernen. Genial ist davon nichts und es gibt viele Strecken dieser Art in diesen Tagen. Man muss wohl sich auch damit abfinden, dass man in erster Linie alles erstmal für sich selbst fotografiert. Ob jemand anderes etwas darin finden kann, muss dieser dann selbst entscheiden.

Die wohl am Ende tatsächlich bedeutendere Erkenntnis ist aber, mein Arsch ist sehr privilegiert. Mir geht es gut und es ist wie ein langer Urlaub. Selbst Sheilas Kurzarbeit stecken wir locker weg und ich betrachte es als Geschenk, dass sie jetzt solange zuhause war. Es geht mir sehr gut und ich weiß um jene, die mehr zu kämpfen haben. Während ich hier Geld in Filme und Chemie stecke, um die Banalitäten des Dorfes zu fotografieren, fehlt dieses Geld anderen und sie verkaufen ihre Kameras, um irgendwie die Miete hinzukriegen. Das darf man nicht vergessen.