Antisocial Media

1999 wollte ich unbedingt ein Modem haben, um mir die Demo von Quake 3 herunterzuladen. Kurze Zeit später begriff ich, dass ich im Internet nicht nur meine fertigen Hausaufgaben, sondern auch Interaktion finden konnte. Mein sozialer Horizont erweiterte sich über die Grenzen einer Schule und einer Kleinstadt hinaus. Kommunikation war für mich immer das wichtigste Werkzeug, um Antworten für Fragen zu finden, die ich mir selbst nicht beantworten konnte. Ich habe schnell begriffen, dass man mit den richtigen Leute, sehr schnell herausfinden kann, wie ein Weg zu gehen ist. Ihn danach zu gehen, ist dann eher der einfache Teil. Seitdem wir dieses ominöse Internet haben, können wir mit fast jedem Menschen direkt sprechen, kollaboriert arbeiten und Informationen teilen. Das finde ich großartig, denn ich wüsste sonst nicht, wie ich es aus der Kleinstadt geschafft hätte und jetzt das tun könnte, was mir so viel Freude bereitet. Das ist das Positive, was ich gerne lebe, gerne vermitteln möchte. Ich spreche von einem Miteinander, einem Teilen und Helfen.

Das Internet von damals, die ersten schönen Erfahrungen mit dem Social Web später, das alles existiert noch, aber wird überlagert von etwas Neuem. Ständige Selbstpräsentation, ewiger Erfolg, Selbsterhöhung und Inszenierung sehe ich öfter, als authentische agierende Persönlichkeiten und davon bin ich selbst betroffen, denn man fügt sich ein, in dieses Kollektiv der Parallelwelt. Man präsentiert das Schöne, das Besondere und wenn das mal ausbleibt, zeigt man nichts und fühlt sich irgendwie, als wäre etwas nicht in Ordnung, oder faked einfach alles.

Ich bin Fotograf und scharre so natürlich andere Fotografen um mich. Manche sind Künstler, andere Dienstleister und wiederum einige Hobbyisten. Ganz still sind die, denen es wirklich gut geht. Die, die zu tun haben, die die angekommen sind, wo sie sein wollen. Lauter wird es da, wo der Zweifel präsenter scheint. Da zeigt man jede Errungenschaft, nicht aus Freude an dieser, mehr um den eigenen Wert zu bestätigen. Hat man gerade nichts, schreibt man auch mal „for Nike“ oder „for Red Bull“ unter einen Instagram Post. Am Ende war es eine gute, freie Arbeit, aber eben nicht beauftragt von der Marke, für die alle Arbeiten wollen, weil sie damit ein Angekommen-sein verbinden. Ich glaube, viele fühlen sich sehr unsicher und glauben nicht an sich selbst, zumindest nicht permanent und ich weiß, wovon ich da spreche, denn auch ich brauch manchmal die Bestätigung, dass alles noch im Lot ist.

Vor einem Jahr im Januar, hätte ich auch ein „for Nike“ unter ein Bild schreiben können, oder ein paar Monate vorher „for BMW“ und es wäre nicht gelogen gewesen. Ich habe überlegt und es juckte in meine Fingern, aber es waren so kleine Jobs, über so viele Ecken und am Ende hätte es niemanden interessiert. Ich hätte das nur für mein eigenes Gefühl getan, um schlussendlich immer noch unsicher zu sein und so entschied ich mich dagegen. Beide Jobs finden sich nirgends, denn sie sind langweilig. Da hab ich besseres, aber ohne ein „for…“.

Es gibt Fragen, die kann einem dieses ominöse Internet nicht beantworten. Niemand kann das, denn es geht dabei um die Zukunft. Einen Rat aber, den kann man sich immer holen und manchmal ist er versteckt und verflochten in einer Reaktion, was mich zu dem eigentlich Grund bringt, überhaupt über das Thema zu schreiben. Wir leben eine happy-happy-fake Welt in der wir uns am meisten vor Kritik fürchten. Lieber ist uns ein anbiederndes „Awwwww“ als ein „Könntest du besser machen.“, wobei in letzterem tatsächlich eine neue Erkenntnis verborgen sein könnte. Natürlich könnte es auch Quatsch sein, aber warum wollen wir es nicht herausfinden? Weil der perfekte Schein uns wichtiger ist? Weil ein „sponsored Post“ unbedingt erfolgreich sein muss, damit die Marke auch den Nächsten bei uns bucht? Weil wir uns selbst nicht in Fragestellen wollen?

Warum haben wir nur so viel Angst, vor einer öffentlichen Diskussion? Wir könnten ja auch Angst vor dem Wetter haben, denn das ist noch weniger zu kontrollieren. Ich finde Gespräche immer bereichernd und selbst wenn jemand eine andere Haltung einnimmt, kann ich mir daraus immer noch eine andere Perspektive mitnehmen. Selbst völlig unberechtigte Kritik, wirres Gestammel, oder von Neid motiviertes Feedback, lässt mich etwas über den Sender dieser Botschaften erfahren und damit kann ich umgehen. Stellt man sich dem nicht, blendet man es aus und ignoriert es, ohne vorher zu analysieren, wird man nie erfahren, was wirklich da draußen vorgeht. Ich meine, da gibt es Leute, die so große Angst vor der öffentlichen Meinung haben, dass sie jedes Feedback fürchten, dass sie vergessen, dass sie auf diese Art nie wirklich sicher sein können, was tatsächlich überhaupt die Resonanz auf ihr tun ist. Vermutlich erwächst daraus nur eine größere Spirale der Selbsttäuschung.

Ich denke mehr über das nach, was ich tue und warum. Reichweite soll mir nicht wichtig sein, habe ich beschlossen, auch wenn ich in einem Online Shop Presets verkaufe. Wenn das Produkt nicht gut ist, wird es niemanden interessieren und daran ändert auch der immens leckere und großartig aussehende Burger nichts, den ich gestern NICHT in meiner Instagram Story zeigte. Was bringt es mir, wenn Menschen neidvoll auf mein Essen blicken? Ich möchte eigentlich nur, dass meine Familie und meine Freunde wissen, dass es mir gut geht, aber ich möchte nicht, dass diese und alle anderen Menschen auf der Welt denken, es geht mir immer dreimal besser, als ihnen. Ich möchte gemocht werden, weil ich die Person bin, die ich bin und nicht die Inszenierung einer Person, auf die ihr irgendwie neidisch seid, oder der ihr unbedingt nacheifern müsst, um euch Erfolgreich und Angekommen zu fühlen, denn gerade das, könnt ihr nur selbst messen und entscheiden. Ihr definiert, ob ihr zufrieden sein könnt.

Ich möchte zukünftig nicht nur das Positive zeigen. Ich möchte mich authentisch verhalten und nicht nur happy-happy-fun Kram posten. Dabei möchte ich hinterfragen, warum ich das tue und darauf verzichten, es nur zu tun, weil ich gerade mal wieder eine Bestätigung brauche. Ich möchte mehr interagieren, mehr diskutieren, Kontakte knüpfen und das Internet für das benutzten, für dass ich es so großartige finde.

Epilog: Nichts schien mir mehr geeignet, das hier zu bebildern, als ein Foto aus einem Wiener Klo. Schön noch mal zeigen, dass man eine Leica hat. Eklig sein, macht auch manchmal Spaß. Natürlich ist auch dieser Text irgendwo Marketing und Selbstinszenierung und ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt darüber sprechen möchte, zumindest auf diese Art. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, denn es ist authentisch und ich möchte drüber reden.

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